Preview. Fotografie in Leipzig. Morgen. 08 06 - 08 09 19 Kunsthalle der Sparkasse Leipzig
Katalogtext von Christina Natlacen - das Feld
Was ist ein fotografischer Raum? Welchen Gesetzen unterliegt dieser und durch welche Interventionen können die Bedingungen seiner Wahrnehmung so weit ausgedehnt werden, dass ein von der Wirklichkeit entkoppelter Bildraum entsteht? Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich Florian Merdes in seiner Arbeit Das Feld (2018-19) praktisch-analytisch auseinander setzt. Im Atelier entstehen unter Verwendung ausgewählter Materialien wie Papier, Karton oder Pressspanplatten Raumkonstruktionen, die zunächst als geometrische Grundformen, meist reduziert auf ein fein differenziertes Farbspektrum zwischen Weiß, Grau und Schwarz, erscheinen. Erst bei genauerer Betrachtung lassen sich Hinweise und Spuren erkennen, die in dieser vermeintlich abstrakten Formenwelt Rückschlüsse auf das vorangegangene Raumsetting erlauben. Doch mitunter treten Brüche und verunklärende Momente auf, etwa wenn einzelne Elemente nur unzureichend in ihrer Tiefenstaffelung erkennbar sind oder Kanten im Bild sichtbar werden, die Fragen zur Beschaffenheit des Raumes aufwerfen. Zusätzlich wird durch das Verfahren der Montage und seine formalen Mittel der Rasterung und Multiperspektivität das Artifizielle betont. Ausgehend von konkreten Versuchsanordnungen mit dreidimensionalen Objekten im realen Raum verfolgt Florian Merdes eine Befragung der wichtigsten Diskurse der Fotografie: ihrer Verfasstheit als zentralperspektivisches Bild, ihrer Charakterisierung als Schnitt durch den Raum und die Zeit, ihres indexikalischen Paradigmas sowie ihrer Eigenschaft, die Wirklichkeit auf ein zweidimensionales flaches Bild zu reduzieren. Das Feld erweist sich damit als Experimentier- und Spielfeld für ein zeitgenössisches Verhandeln dessen, was das im buchstäblichen und übertragenen Sinn ‚Konstruktive’ des Mediums Fotografie sein kann.
Moderne. Ikonografie. Fotografie. Das Bauhaus und die Folgen 1919 - 2019 22 09 19 - 09 02 2020 Kunstmuseum Magdeburg
Katalogtext von Stephanie Milling
Auf den ersten Blick wirken Florian Merdes´ ausschnitthafte Aufnahmen von Karton, Papierrollen, Holzresten und anderen Baustoffen fast übersteigert ästhetisch. Dann springen Details ins Auge. Die Materialität, die zunächst fast verschwunden war, drängt nach vorn, in Farbspritzern an der Wand, den schiefen Kartonkanten, den Papieren mit unsauber geschnittenen Rändern, dem fleckigen Atelierboden - durch den Kontrast zur formalen Reduktion fallen sie umso mehr auf. Die Elemente finden sich in Merdes´ Fotografien in verschiedenen Kombinationen wieder. Sie zeigen sich vor dem Hintergrund des Atelierraumes in immer neuen Beziehungen, zum Ort und untereinander, nie aber sind sie allein. Der fotografische Raum wird geformt und definiert durch das Beziehungsgeflecht der abgebildeten Objekte. Der Umgang mit dem Material wiederholt sich im Umgang mit den Bildern. In der Ausstellung stehen sie am Boden, mehr Vorschlag denn finale Hängung, ein Arrangement, das diesmal so, beim nächsten Mal schon ganz anders aussehen kann. Merdes grenzt sein Arbeits- und Spielfeld ab und findet in der Begrenzung einen eigenen Zugang zu seinen Themen. Für eine frühere Serie konzentrierte er sich auf ein städtisches "plateau", einen zentralen Platz im österreichischen Innsbruck. Das "feld" wiederum ist sein Atelier. Es bildet den Rahmen , innerhalb dessen er mit seinen Materialien spielen kann. In diesem Fall stammen sie aus dem Baumarkt, eine augenzwinkernde Anspielung auf die Doppeldeutigkeit des Begriffes Bauhaus, die Merdes sich leisten kann, weil er sich in seiner Arbeit von der einen wie der anderen Bedeutung frei macht.
Right there, right then, 02 10 2018 - 26 01 2019 Fotokunststadtforum Innsbruck
text by Maren Lübkke-Tidow on the series das plateau
In his contribution to the exhibition, Florian Merdes focused on a central square in Innsbruck, the Landhausplatz. In 2010, this square, with its numerous monuments, was redesigned by the architectural office LAAC as an «urban ground sculpture», characterised by the interplay of different materials its «topography of gentle hills (...) setting a landscape like counterpart to the surroundings»(LAAC). Merdes sees this place as a «plateau» - which is also the title of his series of works - and has thus uncovered a linguistic counterpart to the many scenic plateaus found within the panoramic mountain landscape that partially surrounds the city. Merdes circles around his «plateau» from different perspectives: he focuses on details that enable him to highlight the different qualities of building materials (and difficulties) of the square and its sparse (and in some cases temporary or provisional) furnishings. He also offers an interpretation based on surveillance, where the subdivision of the space in different zones becomes visible, with people stopping or crossing the scene. What is striking about these images is that the artist particularly emphasises the graphic properties of the organic structure. He achieves this through the interplay of light and dark: Some of his black- and white photographs thrive on strong contrasts, while others are distinguished by their subtle shades of grey, which emphasises the linear division of space as the antithesis to the basic organic structure. By deciding to set breaks in two lines in his sequence of images, one gains the impression that the artist has composed a kind of musical score. But which piece will be performed here? The different visual strategies that Merdes uses here to devide the space while pointing out that the square (with its extracts) does not simply end at the edges of his images point to Merdes´s understanding of the space as a stage. Just as the buildings that surround the square look out onto his stage, Merdes shows just a little, as it shows what the actions of its protagonists, who appear isolated in the pictures or in smaller groups, refer to. Looking at the scene from above, the people in Merdes paintings seem more like figures on a game board than individuals. We know that all the people crossing this square are following a plan. But to comprehend and/or show them and thus to work out moments of specific social dynamics is not the artist`s aim. Rather, Merdes reminds through his photos that the best performances and/or scenes are those that play in our everyday life. Beckett and his Theatre of the Absurd come to mind here, especially when Merdes ultimately adds motifs to this sequence of images, which in turn produce disruptive moments because they do not want to fit into the logic of the overall structure.