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Katalogtext von Christina Natlacen / Preview. Fotografie in Leipzig. Morgen. 2019 Kunsthalle der Sparkasse Leipzig.
Was ist ein fotografischer Raum? Welchen Gesetzen unterliegt dieser und durch welche Interventionen können die Bedingungen seiner Wahrnehmung so weit ausgedehnt werden, dass ein von der Wirklichkeit entkoppelter Bildraum entsteht? Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich Florian Merdes in seiner Arbeit Das Feld (2018-19) praktisch-analytisch auseinander setzt. Im Atelier entstehen unter Verwendung ausgewählter Materialien wie Papier, Karton oder Pressspanplatten Raumkonstruktionen, die zunächst als geometrische Grundformen, meist reduziert auf ein fein differenziertes Farbspektrum zwischen Weiß, Grau und Schwarz, erscheinen. Erst bei genauerer Betrachtung lassen sich Hinweise und Spuren erkennen, die in dieser vermeintlich abstrakten Formenwelt Rückschlüsse auf das vorangegangene Raumsetting erlauben. Doch mitunter treten Brüche und verunklärende Momente auf, etwa wenn einzelne Elemente nur unzureichend in ihrer Tiefenstaffelung erkennbar sind oder Kanten im Bild sichtbar werden, die Fragen zur Beschaffenheit des Raumes aufwerfen. Zusätzlich wird durch das Verfahren der Montage und seine formalen Mittel der Rasterung und Multiperspektivität das Artifizielle betont. Ausgehend von konkreten Versuchsanordnungen mit dreidimensionalen Objekten im realen Raum verfolgt Florian Merdes eine Befragung der wichtigsten Diskurse der Fotografie: ihrer Verfasstheit als zentralperspektivisches Bild, ihrer Charakterisierung als Schnitt durch den Raum und die Zeit, ihres indexikalischen Paradigmas sowie ihrer Eigenschaft, die Wirklichkeit auf ein zweidimensionales flaches Bild zu reduzieren. Das Feld erweist sich damit als Experimentier- und Spielfeld für ein zeitgenössisches Verhandeln dessen, was das im buchstäblichen und übertragenen Sinn ‚Konstruktive’ des Mediums Fotografie sein kann.
Katalogtext von Stephanie Milling / Moderne. Ikonografie. Fotografie. Das Bauhaus und die Folgen 1919 - 2019, 2019 - 2020, Kunstmuseum Magdeburg.
Auf den ersten Blick wirken Florian Merdes´ ausschnitthafte Aufnahmen von Karton, Papierrollen, Holzresten und anderen Baustoffen fast übersteigert ästhetisch. Dann springen Details ins Auge. Die Materialität, die zunächst fast verschwunden war, drängt nach vorn, in Farbspritzern an der Wand, den schiefen Kartonkanten, den Papieren mit unsauber geschnittenen Rändern, dem fleckigen Atelierboden - durch den Kontrast zur formalen Reduktion fallen sie umso mehr auf. Die Elemente finden sich in Merdes´ Fotografien in verschiedenen Kombinationen wieder. Sie zeigen sich vor dem Hintergrund des Atelierraumes in immer neuen Beziehungen, zum Ort und untereinander, nie aber sind sie allein. Der fotografische Raum wird geformt und definiert durch das Beziehungsgeflecht der abgebildeten Objekte. Der Umgang mit dem Material wiederholt sich im Umgang mit den Bildern. In der Ausstellung stehen sie am Boden, mehr Vorschlag denn finale Hängung, ein Arrangement, das diesmal so, beim nächsten Mal schon ganz anders aussehen kann. Merdes grenzt sein Arbeits- und Spielfeld ab und findet in der Begrenzung einen eigenen Zugang zu seinen Themen. Für eine frühere Serie konzentrierte er sich auf ein städtisches "plateau", einen zentralen Platz im österreichischen Innsbruck. Das "feld" wiederum ist sein Atelier. Es bildet den Rahmen , innerhalb dessen er mit seinen Materialien spielen kann. In diesem Fall stammen sie aus dem Baumarkt, eine augenzwinkernde Anspielung auf die Doppeldeutigkeit des Begriffes Bauhaus, die Merdes sich leisten kann, weil er sich in seiner Arbeit von der einen wie der anderen Bedeutung frei macht.